In der Trauermusik lassen sich zwei Hauptauswahlkriterien von einander abgrenzen: die anlassgebundene Musik einerseits, die Tod und Trauer selbst zum Thema hat (originäre Trauermusik) und die anlassungebundene Trauermusik anderseits, also jede Art von Musik,
die dem Trauerritual individuell anverwandelt werden kann.
Hierbei handelt es sich um persönlich ausgewählte Musik, die über das bloße Zitieren der
Tradition hinausgeht. Trauermusik, die erst durch die Auswahl der Angehörigen dem Anlass
würdig wird.
Leitfragen für die Auswahl von individueller Trauermusik können z. B. sein: Welche Musik
bevorzugte der Verstorbene? Welche Beziehung hatte der Verstorbene zur Musik, hat er
selbst musiziert? Welche Musik mögen die Angehörigen?
Beliebte Klassiker, häufig gewünscht, zum Teil berühmt durch Staatsbegräbnisse und öffentliche Anlässe wie den 11. September 2001
♫♪♫ J. S. Bach (1685-1750): Air (Ouvertüre Nr. 3 in D-Dur BWV 1068)
♫♪♫ Frédéric F. Chopin (1810-1849): Trauermarsch (3. Satz - Lento - der Klaviersonate
Nr. 2 in B Minor, Op.35)
♫♪♫ Giuseppe Verdi (1813–1901): Gefangenenchor (aus Nabucco), besonders zur Eröffnung der Bestattungsfeier geeignet, wurde auch auf Verdis eigener Begräbnisfeier gespielt
♫♪♫ Edvard Grieg (1843-1907): Ases Tod
♫♪♫ Jean Sibelius (1865-1957): Valse triste (Op.44)
♫♪♫ Samuel Barber (1910-1981): Adagio for strings (Op.11)
Mögliche und übliche Zeitpunkte (gemäß Liturgie), Musik in die Bestattungsfeier
einzubinden sind:
Das zeitliche Verhältnis von Trauermusik zur Trauerrede: üblich ist hier ein Verhältnis von 1:1, das heißt ca. 15 Min. Redezeit werden von ca. 15 Min. Musik begleitet. Das entspricht ca. drei Musikstücken vom Tonträger (CD/iPod) bzw. Live-Musik (Solist/Kammermusik/Band) oder gemeinsamem Singen in der Gemeinde.
♫♪♫ Großer Gott, wir loben dich
♫♪♫ Der Herr, mein Hirte führet mich (Psalm 23)
♫♪♫ Das ist der Tag, den Gott gemacht
♫♪♫ J. S. Bach (1685-1750): Jesus bleibet meine Freude (aus:
Kantate BWV 147 »Herz und Mund und Tat und Leben«)
Zeitliche bzw. liturgische Begrenzungen der Trauermusik, die im Ablaufplan einer Trauerfeier ggf. bedacht werden müssen:
Musik spricht die Emotionen der Angehörigen gezielt an und kann diese bei einer Trauerfeier
auch kanalisieren und lenken. Der Begriff »Emotion« spiegelt in diesem Zusammenhang eine enorme Vielfalt von sich durchaus auch widersprechenden Gefühlen wider, wie Schmerz, Ohnmacht, Traurigkeit, Verzweiflung, Enttäuschung, Wut, aber auch Erleichterung, Dankbarkeit oder ein besonderes Empfinden von Liebe.
Musik kann sehr zu Herzen gehen und so bei manchen Trauernden, Befangenheit erst lösen
und die Trauer zulassen. Vielleicht möchte man diese Wirkung gerade, oder aber man
möchte diese Wirkung eher vermeiden, beispielsweise um einen strengen Ablaufplan nicht
zu gefährden. Gefühle können durch die Musikwahl auch in eine ungewollte Richtung gelenkt werden, so dass die Feier im Extremfall geradezu »verunglückt«. Anderseits liegt in der
Lenksamkeit und Modifizierbarkeit von Gefühlen durch die Musik ihr enormes Potential,
das durch Worte nicht ohne weiteres auch erreicht werden kann.
Alte und neue klassische Musik: instrumental, berührend, emotional, aufhellend,
als (Zwischen-) Einlagen zum Ende der Trauerfeier geeignet:
♫♪♫ R. L. Boccherini (1743-1805): Introduktion und Fandango
♫♪♫ Elliot Goldenthal (geb. 1954): The journey (Frida)
♫♪♫ Fabian Payr (geb. 1962): Voyage noir
Populäre Musik, Chansons zur Traueransprache:
♫♪♫ Chavela Vargas (geb. 1919): Paloma negra
♫♪♫ Juliette Gréco (geb. 1927): La chanson des vieux amants
♫♪♫ Jacques Brel (1929-1978): Voir un ami pleurer
♫♪♫ Caetano Veloso (geb. 1942): Burn it blue
Wenn gesagt wird, dass Musik Trauer ausdrückt, dann muss dieser Ausdruck auch bei den Gästen offen gelebt werden dürfen (was in heutiger Zeit nicht selbstverständlich ist, da zugunsten eines reibungslosen Ablaufs gelegentlich ein Vorbehalt gegen offen gelebte Emotionalität existiert).
Lebensmusik ist ein »Zur-Sprache-Kommen« unaussprechlicher Gefühle und Gedanken, die durch den Tod eines nahestehenden Menschen haltlos im Raum zu stehen scheinen. Musik zur Trauer kann unter Umständen den gesuchten Halt anbieten. Sie kann das Geschehene für diejenigen, die Abschied nehmen, in einen Übergang verwandeln.
Musik erzeugt in ihrem Er- und Verklingen, in ihrem Vergegenwärtigen und Erinnern eine eigene Zeit, die über sich hinausweist und ist in ihrem Verklingen dem Sterben verwandt. Aber sie kann auch über ihr Verklingen hinaus nachklingen und somit in das Leben zurückweisen.
So verstandene Trauermusik ermöglicht den Übriggebliebenen angesichts des Sterbens, Todes und Abschiednehmens ein »Im-Gespräch-bleiben« mit dem Leben: das Leben klingt weiter, und zwar über den Tod hinaus.
Folk, Rock, Blues/Soul: auflockernd, versöhnend, die Tatsachen anerkennend, Musik zum Ende der Bestattungsfeier:
♫♪♫ Cat Stevens (geb. 1948): If you want to sing out, sing out
♫♪♫ The Beatles (ca. 1956-1970): Let it be
♫♪♫ Stevie Wonder (geb. 1950): What a wonderful world
Für Trauerfeiern junger Menschen/Teenager zur Traueransprache:
♫♪♫ Celine Dion (geb. 1968): My heart will go on (bekannt geworden
als Liebesthema im Film »Titanic«)
♫♪♫ Musical Cats: Memory
Frank Sinatra: »MY WAY«
Anlassungebundene Musik wird durch erst ihre erklärende Bindung an das jeweilige Leben
(etwa durch die Trauerrede) zu einer Trauermusik. Anlassungebundene Musik bedarf unter
Umständen der expliziten Erklärung und Verortung im Leben des Verstorbenen durch den Leiter/Redner der Trauerfeier.
Der Liedtext von Sinatras »My Way« liest sich wie eine rückblickende Biographie, in der
versucht wird, eine eigene Identität zu formulieren. Das lyrische Ich blickt am Ende seines
Lebens zurück und zieht Bilanz. Es wird ein erfülltes Leben besungen, die Fehler der
Vergangenheit und die schlechten Zeiten erscheinen zunehmend geschönt und idealisiert
(»...ich habe gewonnen und habe verloren...«). Die Selbstvergewisserung, trotz mancher
Fehler und Rückschläge ein gutes Leben geführt zu haben, zeigt sich im Refrain »I did it my
way«/»Ich ging meinen Weg«. Die Verklärung seines ausgekosteten Lebens lässt den
Betrachter mit einer gewissen Gelassenheit den Tod erwarten.
Dieser anschauliche Lebensrückblick kann als Anlass genommen werden, das Leben des
Verstorbenen auf vergleichbare Weise plastisch und individuell zu schildern; eine allgemeine
Verklärung der Höhen und Tiefen im Leben des Verstorbenen verbietet sich hingegen streng.
Sinatras »My Way« hat nur dann einen Sinn, wenn es dem Trauerredner gelingt, das lyrische
»My Way« in ein für die Trauergäste nachvollziehbares »His Way«/»Her Way« umzuwandeln.
♫♪♫ Frank Sinatra (1915-1998): My way