Ursprünglich geschrieben, um die Arztrechnungen von Mitchs ehemaligem Professor Morrie zu bezahlen, wurde das Buch zu einer internationalen Sensation: Mit weltweit mehr als 14 Millionen verkauften Exemplaren, und in über 40 Sprachen übersetzt, zählt es zu den meistverkauften Memoiren aller Zeiten.
Mehr als 200 Wochen (knapp 4 Jahre!) stand es auf der New York Times-Bestsellerliste; eine gleichnamige TV-Adaption mit Jack Lemmon in der Rolle des Morrie und sowie zahlreiche Bühnenadaptionen folgen.
Zentaur (aus der griechischen Mythologie: halb Pferd und halb Mensch): aufgrund ihrer hohen Lebenserwartung erreichen sie einen enormen Grad an Weisheit und Wissen...
Morrie Schwartz, 78 (1917-1995), Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, wächst in einfachen Verhältnissen in der Bronx auf. Sein Vater ist wiederholt zeitweise arbeitslos, seine Mutter verstirbt früh...
Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Sowohl Morrie als auch sein ehemaliger Student, Mitch Albom, 37, inzwischen erfolgreicher Sportreporter sind reale Personen. Mitch bringt die dienstäglichen Treffen mit Morrie zu Papier und veröffentlicht sie 1997.
Einschneidende Ereignisse, die Morries Lebensweg prägen und ihn zu dem Menschen machen, der er zum Zeitpunkt seiner Lehre über das Leben (und den Tod) ist:
1. Seine Mutter stirbt bevor er das Teenageralter erreicht; sein einziges greifbares Andenken an sie war für lange Zeit das Telegramm vom Krankenhaus, das die Todesnachricht enthielt. Vom Tod seiner Mutter erfährt er, während er das Telegramm - aufgrund seiner Englischkenntnisse, seinem Vater vorlesen muss. Danach wird er es sofort verstecken, und für den Rest seines Lebens aufbewahren. Den Tod seiner Mutter wird er noch 70 Jahre später - im Angesicht seines eigenen Todes, beweinen... Zuhause war es ihm von nun an verboten, über seine Mutter zu sprechen, da sein jüngerer Bruder in dem Glauben aufwachsen sollte, dass die Stiefmutter der beiden Geschwister, ihre leibliche Mutter ist. Dieses Geheimnis belastet ihn schwer.
Während seiner gesamten Kindheit hatte er sich mehr menschliche Wärme und Ansprache von seinem Vater gewünscht: er nimmt sich fest vor, dass seine eigenen Kinder in einer anderen Atmosphäre aufwachsen sollen: Liebe und Kommunikation werden zu seinen Lebensthemen.
2. Sein Vater nimmt ihn eines Tages mit zu seiner Arbeitsstelle in einer Pelzfabrik. Die Luft ist schwer von den feinen Pelzhärchen, die als feine Schwebteilchen den gesamten Raum erfüllen.
Während die Arbeiter sich ihrem jeweiligem Arbeitsstück widmen, geht ein Aufseher durch die Reihen, der sie im Kasernenton anbrüllt, dass sie schneller arbeiten sollen. Morrie ist schockiert und erleichtert, dass Arbeit dort immer knapp ist und er daher dort keinen Aushilfsjob erhalten kann.
Er nimmt sich fest vor, niemals eine Arbeit auszuüben, bei der er sich durch die Ausbeutung und den Schweiß anderer selbst bereichert.
Morrie entscheidet sich für den Beruf des Hochschullehrers im Fachbereich Soziologie. Er unterrichtet bis weit in das 7. Lebensjahrzehnt - solange als es ihm gesundheitlich möglich ist, sich auf den Beinen zu halten...
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»Hast du viel über den Tod nachgedacht, bevor du krank wurdest? [...] Nein, [...] ich war wie alle anderen.«
Immer Dienstags reist Mitch, 37 von seinem Wohnort Detroit in Morries, 78 Heimat im Großraum Boston (rund 1.000 km Entfernung).
Morrie empfängt trotz seiner unaufhaltsam voranschreitenden körperlichen Unzulänglichkeiten täglich zahlreiche Gäste in seinem Arbeitszimmer getreu seinem Motto »Wenn du im Bett bleibst, bist du tot«. Er ist ein leidenschaftlicher Zuhörer und liebt menschliche Nähe. Morrie ist fest entschlossen, sich nicht zu verstecken oder zu schämen wegen seines bevorstehenden Todes und all’ den damit einhergehenden körperlichen Einschränkungen.
Stattdessen hat Morrie eine bessere Idee: er wird in einem Dialog mit seinem ehemaligen Studenten Mitch so eine Art letzte Vorlesung darüber geben, was er die Lebenden über das Leben und den Tod lehren kann - und zwar vom (eigentlich unmöglichen) Standpunkt des Todes aus.
Er macht den Tod zu seinem letzten Projekt: Erst der Tod bringt die nötige Klarheit, Eindeutigkeit und Fokussierung, um unverzüglich zum Kern des Lebens vorzudringen und getrost jedwede Ablenkung, Umweg und Tand links liegen zu lassen... Wie auch Michael Hebb, Initiator der Gespräche über den Tod bei einer gemeinsamen Mahlzeit, ist Morrie ein Anhänger der Philosophie: »Sterben lernen heißt leben lernen«.
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1. Morrie über Selbstmitleid
Morrie begann seine körperlichen Einschränkungen mit jeden Tag deutlicher
zu spüren. Als Antwort auf seine schrumpfende Hülle legte er sich folgende Gewohnheit zurecht:
Jeden Morgen nahm er sich einige Minuten Zeit, um seine körperlichen Funktionen zu überprüfen, wie Beine spüren, Arme strecken, Finger bewegen, und beweinte jede Funktion, die er bereits an seine Krankheit verloren hatte.
Er erlaubte sich jeden Morgen einige Minuten der intensiven Trauer.
Was können wir von Morrie lernen?
Er wußte stets, wann er damit fertig war (nach einigen Minuten) und zeigte sich dann dankbar, dass ihm soviel Zeit vergönnt war, um sich sehr bewußt von all den Mitmenschen zu verabschieden, die ihm am Herzen lagen. Er starb über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten und die »lange« Zeit, die ihm dadurch blieb, um sich zu verabschieden, bezeichnete er selbst als Glück.
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2. Morrie über Reue
»Was, wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre?«, würde ich mich grämen über all’ die Dinge, die ich tat oder nicht tat? Laut Morrie werden wir
in unserer Kultur nicht dazu ermutigt, Klarheit über die (für uns) wesentlichen Dinge im Leben zu gewinnen. Lediglich nach außen hin sind wir sehr beschäftigt mit »Kleinkram«, wie Job, Familie; Haus, Auto, Heizung: kaufen, abbezahlen, reparieren...
Was können wir von Morrie lernen?
»Du brauchst jemanden, der dir hilft, deine eigenen Wünsche zu erforschen.
Es passiert eben nicht automatisch«. Morries Resümee hier: »Wir alle brauchen Lehrer in unserem Leben.« Und um Missverständnissen vorzubeugen: »Morrie, mein alter Professor, war nicht im Selbsthilfegeschäft.«
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3. Morrie über Vergebung
»Ich trauere darüber, dass meine Zeit zur Neige geht, aber ich nutzte die Chance, die ich dadurch bekomme, die Dinge in Ordnung zu bringen.«
Was können wir von Morrie lernen?
Vergebe zuerst dir selbst, bevor du anderen vergibst. Morrie spricht in diesem Zusammenhang über eine Begebenheit mit einem langjährigen Freund, der ihn in einer Sache tief verletzt hat, woraufhin er den Kontakt zu ihm abgebrochen hat. Einige Jahre später ist der Freund verstorben, so dass es nie zu einer Aussöhnung zwischen beiden kommen konnte.
Schließe Frieden mit dir selbst, nimm’ dich so an wie du bist: Morrie führt hierzu als Beispiel an, dass er sich in seiner Position als Professor lange Zeit Vorwürfe gemacht hat, dass er so wenig Interesse daran gezeigt hat, wissenschaftliche Publikationen herauszugeben.
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4. Morrie über die Furcht vor dem Älterwerden
Atmen und das Herunterschlucken des Essens zählen inzwischen zu den wenigen Dingen, die Morrie noch aus eigener Kraft bewältigen kann. Wie konnte er sich angesichts dieser Lage eine positive Lebenseinstellung bewahren?
Was können wir von Morrie lernen?
»Ich schämte mich ein wenig, weil unsere Kultur uns vermittelt, dass wir uns schämen sollten wenn wir uns nicht selbst den Hintern abwischen können. Aber dann dachte ich, vergiss, was die Gesellschaft sagt [...] Ich werde mich nicht schämen. Was ist schon dabei?«
Und dann passierte etwas Unerwartetes: »Ich begann meine Abhängigkeit zu genießen [...] Jetzt genieße ich es, wenn jemand mich auf die Seite dreht [...] oder man mir die Beine massiert. Das ist ein wunderbares Gefühl, ich schließe meine Augen und gebe mich völlig hin.«
Aber wie kommt es dann, dass allgegenwärtig der Eindruck entsteht,
dass nahezu jeder jung oder jünger sein zu will? Warum werden wir Sätze wie diese niemals hören: »Ich kann es kaum erwarten, endlich 65 zu werden?«
Was können wir von Morrie lernen?
Morrie wiegelt gelassen ab: » [...] Zusätzlich zu all’ dem Jammer sind die Jungen nicht weise, [...] Wer möchte Tag für Tag leben, wenn er nicht weiß,
was wirklich läuft?«
»[...] ich nehme das Älterwerden an. [...] Während du älter wirst, lernst immer mehr dazu. Wenn du ewig 22 bliebest, würdest du ewig so unwissend sein, wie du mir 22 warst. Älterwerden bedeutet nicht bloß Verfall. Es bedeutet Wachstum. Es beinhaltet mehr als die negative Perspektive, dass du sterben wirst, es beinhaltet auch das Positive, dass du verstehst, dass du sterben wirst und dass du deshalb ein besseres Leben lebst. [...] Denn wenn du einen Sinn in deinem Leben gefunden hast, dann möchtest du nicht zurückgehen. Du möchtest nach vorne gehen. Du möchtest mehr sehen, mehr tun.«
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5. Morrie über den Tod
Morries Gedankenexperiment zum Thema Tod: »Jeder weiß, dass er sterben wird, aber niemand glaubt es.« Sonst würden wir anders leben und keine Zeit an all’ die Dinge verschwenden, von denen wir glauben, dass wir sie tun müssten und uns ohne Umschweife unser dringlichsten und wichtigsten Aufgabe widmen. »Wenn du erkennst, dass du sterben wirst, dann siehst du alles mit ganz anderen Augen.«
Was können wir von Morrie lernen?
Morrie hat sich im Laufe seines Lebens eher spirituellen als materiellen Dingen zugewandt. Er sieht sich selbst als toleranter »religiöser Straßenköter«, der die Lehren verschiedener Religionen für sich fruchtbar gemacht hat.
Im Zusammenhang mit dem Tod schlägt er etwas vor, das er dem Buddhismus entliehen hat: »Stell’ dir vor, dass jeden Tag ein kleiner Vogel auf deiner Schulter sitzt, der dich fragt: Ist heute der Tag [um zu sterben]? Bin ich bereit? Tue ich alles, was ich tun sollte? Bin ich der Mensch, der ich sein möchte?«
»Zu wissen, dass du sterben musst, und jederzeit darauf vorbereitet zu sein. Das ist besser. Auf die Weise kannst du tatsächlich intensiver leben, während du lebst.«
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6. Morrie über den perfekten Tag
Wie sähe Morries perfekter Tag aus, wenn eine Fee ihn für 24 Stunden völlig gesund zaubern könnte?
Ohne lange zu zögern, denkt er als erstes an seine Gymnastik, ein Frühstück mit Tee und süßen Brötchen, bevor er schwimmen geht. Er würde danach seine Freude bitten, bei ihm vorbeizuschauen. Später würde er in einem Park spazieren gehen und sich die Natur, die er so lange nicht mehr gesehen hat, ganz genau betrachten und in sich aufnehmen. Abends würden sie alle zusammen in ein Restaurant gehen und danach würde er seiner Leidenschaft nachgehen, und tanzen bis er vor Erschöpfung ins Bett fällt.
Sein Interviewpartner Mitch zeigte sich zunächst enttäuscht, dass Morrie seine gesamte Vorstellungskraft auf so normale Sehnsüchte verwandte. Er selbst dachte an einen Flug nach Europa oder ein Frühstück mit dem Präsidenten...
Was können wir von Morrie lernen? Aber dann begriff er, genau das ist die Botschaft: Die scheinbar unspektakulären Dinge im Leben setzten die größte Lebensfreude frei...
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Morrie abschließend über den Sterbeprozess selbst, letzte Fragen, Erkenntnisse und Ängste
1. Der Prozess des Sterbens hat ihn zu einem anderen Menschen gemacht, auch eine Wunderheilung könnte nicht bewirken, dass er einfach dort weitermacht, wo er aufgehört hat:
Was können wir von Morrie lernen?
Er schätzt seinen Körper nun noch erheblich mehr als vorher und hat begonnen, sich noch tiefer mit dem, was das Leben im Innersten zusammenhält, zu beschäftigen. Hinter solche Erkenntnisse kann man nicht zurückgehen...
2. Seine eigentliche Angst gilt nicht dem Sterben selbst, sondern dem Vergessen werden:
Was können wir von Morrie lernen?
»Ich habe so vielen Leute, die einen sehr engen persönlichen Kontakt zu mir hatten. Und Liebe ist der Weg, wie du lebendig bleibst, selbst nachdem du gegangen bist.«
3. ...nach einem bedrohlichen nächtlichen Hustenanfall, der mehrere Stunden anhält und zu Morries vollkommener Erschöpfung führt:
Was können wir von Morrie lernen?
»Irgendwann begann ich, mich schwindlig zu fühlen [...] es war ein unglaubliches Gefühl. Ich akzeptierte was geschah, und hatte ein Gefühl von tiefem Frieden. [...] Wenn wir am Ende wissen, dass wie jenen Frieden finden können, wenn wir sterben, dann werden wir das tun können, was das wirklich Schwierige ist.«
»Was ist das«?
... »Frieden mit dem Leben zu schließen«.
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Morries zeitlose Botschaft »Geben ist Leben« ist ebenso tiefgreifend wie einfach. Sein warmherziger Charakter berührte die Menschen zu Lebzeiten
und erreichte durch Mitchs Aufzeichnungen posthum ein Millionenpublikum.
Mehr über Morries letzte Weisheiten:
Mitch Albom, übersetzt von Angelika Bardeleben (2017): Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens
Eine gut leserliche, unterhaltsame Lektüre, bei der auch Humor und (alberne) Rituale nicht zu kurz kommen. Diejenigen, die sich von den einfachen Worten berührt fühlen, fühlen sich zumeist sehr berührt.