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REIHE Friedhöfe in europäischen Metropolen

Der Zentralfriedhof in Wien

Besucheradresse: Simmeringer Hauptstraße 234

(Tor 2: Haupteingang), 1110 Wien

 

Tor 1: alter jüdischer Friedhof; Tor 2 + 3: katholischer Teil;

Tor 4: evangelischer Teil; Tor 5: neuer jüdischer Friedhof

Der Zentralfriedhof in Wien
Der Zentralfriedhof in Wien

Der Wiener Zentralfriedhof

Die Stadt Wien betreibt 46 städtische Friedhöfe, der Wiener Zentralfriedhof ist

also nur einer unter vielen, wenngleich der kulturhistorisch eindrucksvollste.

 

Das Frankfurter Büro Karl Mylius und Alfred Bluntschli gewann Mitte des

19. Jahrhunderts einen Architekturwettbewerb der Stadt Wien. Damit erhielt das

Team den Zuschlag, den Friedhof gestalterisch zu planen und die Bauaufsicht zu

leiten. Drei Jahre vor der Eröffnung des Parkfriedhofs in Ohlsdorf/Hamburg, war

es dann soweit: zu Allerheiligen 1874 fand die Einweihung mit rund 10

Begräbnissen statt.

 

Wien kämpfte bis zur Eröffnung wie alle stetig wachsenden Großstädte in dieser

Zeit mit der Enge eines aus dem Mittelalter übernommenen Bestattungswesens,

das sich bis dahin ausschließlich innerhalb der Stadtmauern vollzog.

Der Zentralfriedhof in Wien
Alte Arkaden

Auf etwa 2,5 Quadratkilometer Fläche fanden hier seit 1874 ca. 3 Millionen Menschen ihre

letzte Ruhestätte (zum Vergleich: der weltgrößte Parkfriedhof in Ohlsdorf/

Hamburg: auf knapp 4 km2 Fläche fanden seit 1877 rund 1,4 Millionen

Beisetzungen statt).

 

Der Wiener Zentralfriedhof ist eine veritable Nekropole in Stadtnähe, die nicht

ganz doppelt so viele Tote beheimatet wie die Stadt lebende Einwohner zählt.

Ursprünglich ausgelegt für die Hauptstadt des habsburgischen Vielvölkerstaats,

gibt es Hochrechnungen, nach denen die Totenstadt über Aufnahmekapazitäten

bis ins Jahr 4000(!) verfügt…

 

Aufgrund seiner Größe darf der Friedhof heute mit einem privaten PKW bzw. der

städtischen Friedhofsbuslinie befahren werden. 1901 wurde die Zubringerlinie,

die Simmeringer Pferdebahn elektrifiziert, die traditionelle Trambahnlinie Nr. 71

trat in Dienst (verkehrt bis heute, insgesamt rund 30 Minuten ab Westbahnhof).

Im Wiener Volksmund heißt es daher auch »den 71er nehmen« für »seinen

letzten Weg gehen«.

Der Zentralfriedhof in Wien
Alte Arkaden

Entwicklung der konfessionellen Abteilungen

Der Zentralfriedhof wurde als überreligiöse Begräbnisstätte geplant und besteht

heute aus einem interkonfessionellen Hauptbereich, der laut Satzung allen

monotheistischen Religionen offen steht (mehrheitlich katholisch belegt) und

einzelnen, bestimmten Konfessionen gewidmeten Friedhöfen/ Friedhofs-

abteilungen.

 

Der evangelische Teil und die jüdischen Friedhöfe (alter und neuer Teil) sind

über eigene Eingangsportale/Trambahnhaltestellen an der Außenmauer zu

erreichen, während die kleineren Abteilungen verstreute »Enklaven« auf dem

überreligiösen Areal sind, hierzu zählen insbesondere die buddhistische

Abteilung, die islamischen Abteilungen (alte-, neue- und islamisch-ägyptische

Abteilung) und die orthodoxen Abteilungen (mit russischem-, griechischem-,

bulgarischem-, rumänischem-, serbischem-, koptischem- und syrischem Teil).

Der Zentralfriedhof in Wien
Der Zentralfriedhof in Wien

Nicht nur Reiche und Berühmte bevölkern die Totenstadt, es gibt auch ein

Armenviertel (mit Armenbegräbnissen).

 

Heute ist der Friedhof vor allem wegen seiner fast 1.000 Ehrengräber ein

Anziehungspunkt für Wiener und Touristen: »Die Zuerkennung eines

Ehrengrabes stellt in Wien die höchste Auszeichnung dar, die die Stadt

über den Tod hinaus vergeben kann.«

 

Übrigens, bis zum heutigen Tag kann zum Aufgebot ein historischer

Leichenzug aus dem 19. Jahrhundert bestellt werden, mit schwarzer

Kutsche, geschmücktem Gespann, kostümierten Fackelträgern…Es gibt

wahrscheinlich nicht viele Orte auf der Welt, an denen derart opulente

Zeremonien bis in die Gegenwart gepflegt werden.

Der Zentralfriedhof in Wien
Arkadengruft Nr. 23, Bergwerksgrab

August Zang (1807-1888): Journalist, Bankier, Bergwerksbesitzer

Nachdem Z. in Paris einige Jahre erfolgreich als Investor eine

österreichische Spezialitätenbäckerei betrieben hatte, lernte er bei

der Zeitung »La Presse« das Blattmachen von der Pike auf.

 

1848 kehrte er nach Wien zurück, wo er nun selbst eine Zeitung, »Die

Presse« herausgab. Das Blatt hatte schon bald eine enorm hohe Auflage.

In der Folgezeit erkannte Z., dass der Umsatz durch käufliche Inserate zu

steigern war. Gegen Geld konnte nahezu jede Nachricht in der Zeitung

platziert werden; Z. prägte den Begriff der »käuflichen Presse«.

 

Seine fähigsten Mitarbeiter stiegen aus und gründeten die »Neue Freie

Presse«. Z. selbst hatte ein großes Gespür für richtige Ausstiegszeitpunkte.

Er verkaufte die Zeitung und wurde erfolgreicher Bankier.

Der Zentralfriedhof in Wien
Alte Arkadengruft Nr. 13

Max Friedländer (1829-1872): Journalist, Mitbegründer der »Neuen Freien Presse«

F. studierte in Breslau, Heidelberg und Berlin (doctor iuris). 1856 siedelte er nach

Wien über und wurde Mitarbeiter des Massenblatts »Die Presse«. Als Reaktion auf

die unwürdigen Methoden August Zangs, war F. 1864 eines der Gründungsmitglieder

der »Neuen Freien Presse«.

 

Für die damalige Zeit ganz ungewöhnlich, gab F. dem Kulturteil eine bis dahin

ungekannte Bedeutung. Hierfür gewann er deutschschreibende Autoren, wie

Paul Heyse (Waldfriedhof München), um in Zukunft auf die bis dahin üblichen

billigen Übertragungen aus dem Englischen oder Französischen verzichten zu

können. Die »Neue Freie Presse« ist untrennbar mit der Entwicklung des modernen

österreichischen Zeitungswesens verbunden.