Zeitgemäße & würdevolle Bestattungsvorsorge

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REIHE Besondere Friedhöfe

Gothaer Hauptfriedhof

Besucheradresse: Langensalzaer Straße 98, 99867 Gotha

Gothaer Hauptfriedhof
Eingang zur Urnenhalle des Gothaer Krematoriums

Das erste deutsche Krematorium

Trotz großer Widerstände fand hier im Dezember 1878 die erste

Leichenverbrennung im neuerrichteten Krematorium statt.

 

Obwohl es im liberal regierten Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha weniger

Widerstand von Kirche und Obrigkeit gab, blieb die »ultramoderne«

Feuerbestattung erst einmal in höchstem Maße umstritten. Ihre Anhänger

erhielten v. a. Unterstützung von Hygienikern, Medizinern, aber auch

Ökonomen: eine Urne benötigt weniger Raum als ein Sarg.

 

Engagierte Anhänger entlarvten die Leichenverbrennung als keinesfalls

»ultramoderne« Erfindung, sondern vielmehr eine antike Praxis, die unter

dem Einfluss der Kirche in Vergessenheit geriet.

Gothaer Hauptfriedhof
Mit Plastiken gestalteter Eingangsbereich zur Urnenhalle

Industrialisierung, Bevölkerungswachstum und die zunehmende Bedeutung

von Städteplanung, hielten die Idee der Feuerbestattung lebendig. Auch

wenn in den Anfangsjahren keines der Krematorien aus öffentlichen Mitteln

finanziert wurde, und es 13 Jahre dauerte, bis nach Gotha in Heidelberg das

zweite deutsche Krematorium in Betrieb genommen wurde, sind im Jahr

1910 bereits über 20 Krematorien in Betrieb.

 

Auffällig ist, dass vor allem nach Epidemien rasch Genehmigungen für den

Bau weiterer Krematorien erteilt wurden. Juristische Bedenken, wie eine

Verbrennung verhindere die nachträgliche Aufdeckung von Verbrechen,

können durch die neu einführte gesetzliche Leichenschau ausgeräumt

werden.

 

Weitere Widerstände wurden zerstreut, indem sich Prominente, wie Bertha

von Suttner einäschern lassen. Zur Popularität trugen auch wiederholte

Kostensenkungen bei, die diese Beisetzungsart vergleichsweise

erschwinglich erscheinen lassen.

Gothaer Hauptfriedhof
Trauerkapelle / Verbrennungsraum im Untergeschoss

Geschichte des Hauptfriedhofs in Gotha

Neben dem Gothaer Hauptfriedhof existierten zwischen 1542 und 1892

vier weitere (historische) Friedhöfe, die ungeachtet ihrer kulturhistorischen

Bedeutung für die Stadt Gotha unwiederbringlich vernichtet wurden.

 

Der Hauptfriedhof wurde bereits 1878 vor der Schließung der alten

Friedhöfe, weit vor den Toren der Stadt angelegt. Die Anlage entstand

in drei Bauabschnitten:

 

1878: Mit der Eröffnung des Friedhofs ging auch das erste deutsche

Krematorium in Betrieb. Funktionale Gesichtspunkte waren in diesem

Bauabschnitt formgebend: geometrische Parzellierung der Grabstellen

mit einer Zugänglichmachung über einen Haupt- und mehrere Nebenwege.

Gothaer Hauptfriedhof
Seitenflügel der Friedhofsverwaltung

1908: erste Friedhofserweiterung nach dem Vorbild des Parkfriedhofs

Ohlsdorf in Hamburg. Der Friedhof erhielt »natürliche« Wege, deren

Hauptachsen ein Kreuz beschrieben. Die aufwändigen gärtnerischen

Entwürfe sollen die langsam, aber stetig wachsende Konkurrenz

anderer Krematorien, ausstechen.

 

1920: zweite Erweiterung nach gartenarchitektonischem Vorbild. Die

Grabanlagen wurden von Hecken eingefasst, während die öffentlichen

Flächen waldartig bepflanzt wurden. Zu dieser Zeit zählte der Gothaer

Friedhof zu den schönsten des Landes Thüringen.

 

In den 1950er Jahren wurden erstmals Bepflanzungs- und  Gestaltungs-

pläne vergangener Epochen zurückgebaut und eingeebnet, um

Platzmangel und aufwändige Pflege zu erleichtern.

Gothaer Hauptfriedhof
Gothaer Hauptfriedhof

Innenansicht der Urnenhalle mit einer an

Bahnhofshallen erinnernden Glasüberdachung

Die Urnenhalle / das Kolumbarium

besteht aus einem etwa 50 m langen Säulenbau, der aus Seeberger

Sandstein errichtet wurde. Gut 20 Jahre nach der Inbetriebnahme des

Krematoriums, reichten die ursprünglich vorgesehenen Urnenstellen

nicht mehr aus, so dass die Urnenhalle 1892 durch obigen halbrunden,

auf Pfeiler gestützten Innenhof erweitert wurde.

 

Das Kolumbarium steht heute unter Denkmalschutz und wurde

inzwischen saniert und originalgetreu wieder hergestellt.

Gothaer Hauptfriedhof
Gothaer Hauptfriedhof

In der Mitte des Treppenaufgangs befindet sich die Stele

mit der Urne der Pazifistin Bertha von Suttner

Bertha von Suttner (1843-1914): Pazifistin, Friedensnobelpreisträgerin

wichtige Initiatorin des Krematoriums

 

S.s Weltanschauung, die zunächst noch von der aristokratischen

Erziehung ihres Elternhauses beeinflusst war, wandelte sich, nicht

zuletzt während eines 9-jährigen Aufenthalts in Tiflis/Georgien.

 

Ihr 1889 veröffentlichter Roman »Die Waffen nieder« wird ein

Welterfolg und Programm für die von ihr mitbegründeten deutschen

Friedensgesellschaft. Wider die nationale Aufrüstung ihrer Epoche,

engagiert sie sich für Völkerverständigung, Abrüstung und Frieden.

 

S. verfügte testamentarisch, dass ihr Leichnam nach Gotha zur

Feuerbestattung überführt werden soll, wo ihre Urne dann auch

verwahrt werden soll.

Gothaer Hauptfriedhof
Provisorische Urnengrabanlage

Bestattungsarten auf dem Hauptfriedhof in Gotha

Als Hauptfriedhof beheimatet der Gottesacker auf knapp 20 Hektar

alle in Gotha angeboten Bestattungsarten.

 

Neben der herkömmlichen Erdbestattung und der Urnenbeisetzung

im Urnenwahlgrab, bietet dieser Friedhof auch die pflegeärmeren

Urnenbeisetzungen an, insbesondere Urnengemeinschaftsgräber

mit Gedenkplatte, aber auch Baumbestattungen, bei den die Urnen

entweder einzeln oder familienweise am Wurzelwerk der Bäume

beigesetzt werden.

Gothaer Hauptfriedhof
Beispiel für eine individuell gestaltbare Urnengrabart

Urnenwahlgrab

für bis zu 4 Urnen, Ruhezeit: 25 Jahre; Verlängerung/Neukauf bzw.

Nachbelegung sind möglich; eine Grabparzelle kann im Rahmen eines

Vorsorgeplans zu Lebzeiten reserviert werden.

 

Diese unmittelbar auf die Bestattungsart verweisende Grabsteinsymbolik

- vertieft eingearbeitet in eine verwitterungsbeständige Granitplatte - ist

auf dem Hauptfriedhof in Gotha eine sehr häufig gewählte Gestaltung bei

Urnenwahlgräbern.

Gothaer Hauptfriedhof
Beispiel für eine pflegefreie Urnengrabart

Urnengemeinschaftsgrab mit Namensnennung

für bis zu 10 Urnen; Ruhezeit: 20 Jahre; eine Verlängerung oder

Nachbelegung ist nicht möglich

 

Auch hier verweist das Grabzeichen unmittelbar auf die Art der

Beisetzung. Bei Urnengemeinschaftsgräbern bestimmt die

Friedhofsverwaltung die Platzierung der Urnen (der Reihenfolge nach),

die Namensanbringung, das Grabzeichen sowie die Grabpflege. Nach

Ablauf der Ruhezeit (20 Jahre bei allen nicht frei gewählten Gräbern)

räumt sie das Grab wieder ab.

 

Die Angehörigen sind eingeladen, der Beisetzungszeremonie

beizuwohnen und dürfen in geringem Umfang auf der Grabanlage

Blumen nieder legen.

Gothaer Hauptfriedhof
»Fläche für erhaltungswürdige Grabmale« am Hauptweg

August Koehler (1821-1879)

»Der Menschheit eigenes Studium ist der Mensch!«,

Gründer des ersten Kindergartens in Gotha

 

Nach seinem Studienabschluss am Lehrerseminar, begann K. seine

Laufbahn als Lehrer und eröffnete 1851 in Gotha eine Privatschule für

Mädchen.

 

In den 1870er Jahren wurde seine Schule zu einer beispiellosen

Lehranstalt, die mehrere Schulzweige vereinte (Kindergarten,

Elementarschule, höhere Töchterschule, Fortbildungsschule) und

darüber hinaus Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen ausbildete.

 

An seinen Seminaren studierten über 500 Kindergärtnerinnen aus

dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Russland, England

und Amerika. 1871-1875 erschien sein 3-bändiges Hauptwerk

»Die Praxis des Kindergartens«.

Gothaer Hauptfriedhof
Denkmal am Hauptweg

»Die Toten mahnen«

Inschrift einer in den Boden eingelassenen Steinplatte:

 

»Wir

gedenken

der Opfer

aller

Gewaltherrschaften« 

Gothaer Hauptfriedhof
Romantisch anmutende Grabplastik
Gothaer Hauptfriedhof
Künstlerisch gestaltete Grabplastik

Interpretation des »Prophet und Genius«-Themas (Vgl. auch »Der

Parkfriedhof Ohlsdorf in Hamburg«): ein Engel (Genius) geleitet einen

blinden Propheten zu seinem Ort der letzten Ruhe.

Gothaer Hauptfriedhof
Impression: ein künstlerisch gestaltetes Grabdenkmal